Der Forscher-Macher:
Wäre Manuel Vogel ein Fußballtrainer, würde man sagen, dass er zum Saisonende den Verein wechselt. Und tatsächlich hat der Lehrer für Mathematik und Chemie, der nach 14 Jahren das Gymnasium Spaichingen verlässt und seine berufliche Laufbahn in Lissabon fortführt, etwas von einem Coach: Er unterstützt junge, talentierte Menschen, ermutigt sie, ihr Bestes zu geben, begleitet sie bei Wettbewerben, feiert mit ihnen Erfolge und durchlebt Rückschläge – nur eben nicht auf dem Fußballplatz oder im Leichtathletikstadion, sondern auf dem Feld der Naturwissenschaften.
Als Manuel Vogel mit 25 Jahren als junger Lehrer am Gymnasium Spaichingen seine erste Stelle antrat, und der damalige Schulleiter Michael Lamberty ihn und einen Kollegen beauftragte, eine Forscher-Arbeitsgemeinschaft (AG) ins Leben zu rufen, fing alles an. Von Beginn an gab es eine enge Kooperation der neuen Forscher-AG mit der bereits bestehenden Robotik-AG. Und das naturwissenschaftlich-technische AG-Angebot wurde gut angenommen: „Es gab Jahre mit deutlich über 40 Schülerinnen und Schülern in beiden AGs“, erinnert sich der 40-Jährige.
Die naturwissenschaftliche Bildungsarbeit außerhalb des regulären Unterrichts nahm mit den Jahren einen immer größeren Raum für Manuel Vogel ein. Neben der Forscher-AG kümmerte er sich um die Begabten- und Talentförderung, pflegte im Förderkreis Wirtschaft Beziehungen zu regionalen Unterstützern von Naturwissenschaft und Technik am Gymnasium Spaichingen und sorgte mit seinem Kollegen Hendrik Schwarz dafür, dass das Gymnasium mit seinen Schwerpunkten Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – kurz MINT – in das nationale Excellence-Schulnetzwerk aufgenommen wurde und sich seit 2016 MINT-EC-Schule nennen darf.
Dazu kam die Arbeit am Schülerforschungszentrum (SFZ) in Tuttlingen, das er gemeinsam mit einer Kollegin leitete. Zudem war Vogel pädagogischer Leiter aller zehn SFZ-Standorte in Südwürttemberg. Die Schülerforschungszentren verstehen sich als Lernorte außerhalb der Schule für begabte und hochbegabte Schülerinnen und Schüler. Sein Ziel sei es gewesen, so der Lehrer, regionale Leistungszentren für den MINT-Bereich zu schaffen, „vergleichbar mit Sport-Leistungszentren“.
Und wie im Sport gibt es auch für Jugendliche, die im MINT-Bereich begabt sind, Wettbewerbe, in denen sie zeigen können, was sie drauf haben. Manuel Vogel hat nachgezählt: Seit 2012 hat er insgesamt 172 Wettbewerbsteilnahmen persönlich betreut. Mit ihren Forschungsprojekten erreichten die Schülerinnen und Schüler bei Jugend forscht, beim Bundesumweltwettbewerb und beim Robotik-Wettbewerb RoboCupJunior in schöner Regelmäßigkeit hervorragende Platzierungen auf Regional-, Landes- und Bundesebene. Sogar ein Robotik-Europameister kommt aus Spaichingen. Dazu kamen erfolgreiche Teilnahmen an der Internationalen Chemieolympiade sowie Gold-, Silber- und Bronzemedaillen bei der Internationalen Erfindermesse IENA. Und auch der Artur Fischer Erfinderpreis fand drei Mal seinen Weg in die Primstadt.
Bei der Begleitung junger Forscherinnen und Forscher ging es Manuel Vogel darum, „Möglichkeiten zu geben“ und „Türen zu öffnen“, wie er sagt. Oft betreute er Schülerinnen und Schüler über Jahre hinweg und freute sich über die Fortschritte, die sie machten: „Das macht unglaublich Spaß, dabei zu sein und zu sehen, wie sie sich entwickeln“, so der Pädagoge. Und wenn es manche dann bis ganz nach oben aufs Treppchen geschafft haben, war das auch für den Lehrer ein besonderer Moment: „Wenn sie mit leuchtenden Augen da oben stehen, das ist schon einfach sehr cool“, sagt Vogel mit ebenfalls leuchtenden Augen.
2022 ist Manuel Vogel auch selbst ausgezeichnet worden. Die Astronomische Gesellschaft verlieh ihm den Hans-Ludwig-Neumann-Preis für herausragende didaktische Arbeit im mathematischen und naturwissenschaftlichen Bereich. Vogel wusste nichts von der Nominierung, umso mehr freute er sich über die Auszeichnung. Es sei „ein sehr besonderer Preis“ für ihn gewesen, sagt er.
Und jetzt also Lissabon statt Spaichingen. In der portugiesischen Hauptstadt lehrt Manuel Vogel ab dem kommenden Schuljahr an der Deutschen Schule. 1300 Schülerinnen und Schüler werden dort an einem Gymnasium und einer Gemeinschaftsschule unterrichtet. Die Unterrichtsinhalte müssen sowohl dem deutschen als auch dem portugiesischen Bildungsplan entsprechen. Auch an seiner neuen Schule wird für Manuel Vogel der MINT-Bereich im Mittelpunkt stehen. „MINT läuft im Moment auf AG-Basis“, erzählt Vogel, „soll aber in den Unterricht integriert werden“. Es gibt also auch in Lissabon viel zu tun.
Seinen Abschied von Spaichingen sieht Manuel Vogel mit einen lachenden und einem weinenden Auge, oder wie er es formuliert: „Ich freue mich total auf Lissabon, aber ich weiß auch, was ich zurücklasse“.
Föhl