Sichtweise von Schülerinnen und Schülern war gefragt:

„Was ist denn hier los?“, dachte so mancher, der am 8. Oktober das Gymnasium Spaichingen betrat. Im Foyer standen Liegestühle und Sitzkissen. Zwei Tischtennisplatten luden zu einem Spielchen ein. Eine Süßigkeiten-Bar lockte mit Leckereien. Kaffee, Butterbrezeln und Hefezopf boten Gelegenheit zum zweiten Frühstück. Aufgebaut hatte das alles das Team Demokratiebildung vom Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg. Ziel: eine Atmosphäre, in der Lehrer und Schüler entspannt, frei und kreativ darüber nachdenken können, was für eine Schule sie in Zukunft haben möchte

„Miteinander aktiv Zukunft gestalten: Verantwortungsbewusst selbstwirksam handeln“, lautete die Überschrift über den Pädagogischen Tag, den Peter Rauls, Heike Börnicke, Antje Kaz und David Pomp vom ZSL mit dem Spaichinger Lehrerkollegium sowie Schülerinne und Schülern durchführten.

Dass auch Schülerinnen und Schüler eingeladen waren, ist für pädagogische Tage eher ungewöhnlich. Bemerkenswert, dass rund 40 Mädchen und Jungs dieser Einladung tatsächlich folgten und sich aktiv einbrachten. Denn die Alternative für sie wäre ein schulfreier Tag gewesen. Die Teilnahme für Schülerinnen und Schüler war freiwillig.

Ungewöhnlich war auch die Art und Weise, wie der Tag ablief: Barcamp hieß der Tagungsstil, bei dem die Teilnehmer selbst bestimmten, mit welchen Fragestellungen sie sich beschäftigen wollten. So wurden zunächst Themen gesammelt, die Schüler und Lehrer gerade beschäftigen. Auf diese Weise kamen 28 sogenannte Sessions zustande, die auf vier Zeit-Leisten verteilt wurden, so dass jeder Teilnehmer insgesamt vier 45-minütige Sessions besuchen konnte. Welche das waren, durfte jeder selbst entscheiden und auch, ob er bis zum Ende dabeibleiben oder die Session lieber wechseln wollte, etwa weil er sich unter dem Thema doch etwas anderes vorgestellt hatte. Maximale Freiheit also, die sich auch darin zeigte, dass sich alle Teilnehmenden – ob Schüler oder Lehrer – während des Barcamps mit Vornamen anredeten.

Mit dem Hinweis „Ein Barcamp ist, was ihr draus macht!“ entließen die ZSL-Moderatoren Lehrer und Schüler in die Sessions.

Und offenbar brachte der zwanglose Rahmen den gewünschten Effekt: In den einzelnen Sessions wurde intensiv und kreativ diskutiert, wobei besonders die Meinung und Sichtweise der Schülerinnen und Schüler gefragt war. Etwa bei der Frage: Gibt es zu viel Autorität an deutschen Schulen verglichen mit anderen Ländern wie etwa Spanien? Oder: Wie sollte Unterricht sinnvoll evaluiert werden? Andere Sessions sammelten Ideen, wie mehr Klimaschutz in die Schule gebracht werden könne, fragten danach, wie sinnvoll Noten im Sport- und Kunstunterricht seien, ob die Schule zu einer späteren Uhrzeit anfangen sollte oder ob sich Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht politisch positionieren sollten. Zudem erzählte die ehemalige Schülerin des Gymnasiums, Stefanie Eski von ihrem Weg in den Spaichinger Gemeinderat, oder Peter Rauls, einer der Moderatoren, bot ein Zivilcouragetraining an.

Damit die vielen Ideen nicht verloren gingen, wurde jede der 28 Sessions protokolliert, so dass die Schulgemeinschaft in Zukunft an den behandelten Fragestellungen, Themen und Projekten weiterarbeiten kann, wenn sie das möchte.

Die Idee, ein solches Barcamp an die Schule zu holen, hatte Deutsch- und Gemeinschaftskundelehrer Michael Hauß. Auf seine Initiative hin wird es im Herbst 2025 auch das Projekt „Schule als Staat“ am Gymnasium Spaichingen geben. Dann verwandelt sich das Gymnasium für einige Tage in einen Staat mit eigener Wirtschaft, eigenem Parlament, eigener Verwaltung und eigener Währung.

Föhl